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29.03.2024 01:36:35


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Wirtschaftliche Entwicklung von Rehetobel

 

Die topographischen Gegebenheiten bezüglich der Lage von Rehetobel haben dessen wirtschaftliche und demographische Entwicklung wesentlich beeinflusst. Umschlossen von drei schluchtartigen Wassergräben (Moosbach, Goldach, Landgraben) sah sich die Gemeinde bei der verkehrsmässigen Erschliessung stets grossen technischen und beim Verhandeln mit den umliegenden Gemeinden auch politischen Schwierigkeiten gegenüber. Diese bevorzugten nämlich zumeist Lösungen für eine weiterreichende Verbindung im Vergleich mit derjenigen zu einer abseits gelegenen Nachbargemeinde wie Rehetobel . So erklärt es sich, dass Rehetobel den Bau der heute noch benützten Strasse nach St.Gallen mit Ausnahme des Stückes über Gemeindegebiet von Speicher (Speicherschwendi) total auf eigene Kosten zu erstellen hatte. Das Land (heute Kanton) übernahm einzig die steinerne Brücke im Klusgonten (Zweibrücken), verpflichtete dafür die Gemeinde Rehetobel im Gegenzug für den Unterhalt der beiden Holzbrücken in Obarach und Achmühle. Gemäss Strassengesetz von 1851 hatte Rehetobel zusätzlich folgende Strassenstücke zu erstellen, was die Gemeindefinanzen erheblich belastete:
  • Kühloch - Grenze Grub 1855/56
  • Wald - Grenze Grub 1860/61
  • Dorf - Kaien 1863/65 machte die Verlegung des Friedhofs an die heutige Stelle nötig
  • Kaien - Oberegg bis Grenze
  • Heiden 1866/67

Damit nicht genug, stellten sich weitere, gemeindeinterne Strassenbedürfnisse. Weil durch die neue Strassenführung der Bezrik Lobenschwendi - verstärkt noch durch das tiefe Tobel des Holdernbaches - von der Hauptstrasse weit abgeschnitten worden war, verliehen die Bewohner dieses Bezirks in verschiedenen Kundgaben ihrer Unzufriedenheit Ausdruck, formuliert und eingereicht durch die Lesegesellschaft Lobenschwendi an den Gemeinderat, beginnend 1870. Wiederholte Forderungen dieser Lesegesellschaft, die sich mit unbefriedigenden Teilentgegenkommen seitens der Gemeinde nicht abspeisen lassen wollte, wurden 1876 schliesslich erfüllt durch den Beschluss für den Bau der heutigen Verbindung Lobenschwendi - Habset, mittels eines kurvenreichen, romantischen Strassenstückes entlang der Holdernbach - Schlucht. Fertigstellung 1877/78.Es ist angesichts dieser Verkehrslage verständlich, dass auch Rehetobel vom Eisenbahnfieber ergriffen wurde, dessen Wirkung sich in phantastischen Plänen bis über die Jahrhundertwende hinaus manifestierten. Man beteiligte sich an "grossräumigen" Projekten , auch seitens der Gemeinde finanziell, da man eine Eisenbahnverbindung als "eigentliche Lebensfrage" schlechthin beurteilte. Unter diversen Projekten sei hier die eine Linienführung herausgegriffen: Heiden - St.Gallen über Eggersriet und Martinstobel mit Abzweigung ab Riemen (Grub) nach Rehetobel. Bahnhof im Dorf (auf eine Tunellierung der Fernsichtkuppe wurde verzichtet.) Mit und nach dem Ersten Weltkrieg gerieten diese durch das Eisenbahnfieber hervorgerufenen Gelüste in Vergessenheit, wiewohl der Eisenbahnfonds bis in die fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahhunderts bestehen blieb.

1871wurde die regelmässig verkehrende Pferdepost nach St.Gallen eingeführt, einmal täglich, samstags zweimal. Nach mehrmaligen Vorstössen für eine Verbesserung (ab 1904 täglich zwei Kurse) dauerte es bis ins Jahr
1920als am 5. September der erste Postautokurs die Pferdepost ablöste.
1882Einführung des Telegraphen

 

Textil-Heimarbeit und –Fabrikation
Kleinbäuerliche Strukturen zur Zeit der Gemeindgründung boten die Voraussetzung für die stark verbreitete Textil-Heimindustrie: Weben von Leinwand, später Baumwolle, zunächst in einfachen Mousseline-Stoffen, später in verfeinerten Blattstichwebereien. Weben und Sticken hatten ihre Hochblüte um die Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg. (1910 hatte Rehetobel mit 2400 Einwohnern seine höchste Bevölkerungszahl).
Die einseitige Ausrichtung auf die Textilindustrie machte die Gemeinde zu allen Zeiten sehr krisenanfällig. Bescheidener Wohlstand konnte oft abrupt durch Armut und Not abgelöst werden. Dies sei an drei Beispielen illustriert:
  • Von 1806 bis 1812 bestand für die eidgenössischen Stände die Verpflichtung zu französischen (napoleonischen) Kriegsdiensten. Um der damals herrschenden Not und Armut zu entweichen, liessen sich aus Rehetobel besonders zahlreiche junge Einwohner anwerben.
  • Die Hungersnot von 1816/17, verbunden mit Teuerung, wirkte sich in Rehetobel besonders drastisch in Form eines grossen Sterbens in allen Altersschichten der Wohnbevölkerung aus.
  • Die zwanziger und dreissiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts galten als schlimme Krisenjahre. Die meisten jungen Leute wanderten in andere Kantone ab, um dort sichere Berufe zu lernen und nicht wieder zurückzukehren. Den Bevölkerungstiefststand erreichte Rehetobel 1941 mit 1550 Einwohnern. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg fehlten darum im Altersstruktur-Baum der Gemeinde Rehetobel die mittleren Jahrgänge, Rehetobel galt als "überaltert".
  • Im Dorfbild von Rehetobel zeichnen sich zwei grosse Schübe in der Erstellung von Neubauten und Neuquartieren ab, welche beide als Spiegelbild wirtschaftlicher Entwicklung interpretiert werden können.
  • Nach 1950, als sich in der Folgezeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht die befürchtete Verlängerung der Krise, sondern eine schier galoppierende Hochkonjunktur einstellte.Neubauten an der Sägholzstrasse (Dorfbereich) , der Gartenstrasse, am Südhang der Fernsicht bis Sonder (Sonnenbergstrasse).

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